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Fine durchs Repetitorium - wenn Ihr mich nach meinem wichtigsten Tipp fragt...

Updated: Jul 26, 2023

Heute gibt es ein ganz generelles Thema, das insbesondere die Examensvorbereitung, aber auch schon die Zeit davor betrifft. Auf die Frage, was mein wichtigster Rat ist, kann ich nämlich nicht in ein-zwei Sätzen antworten, denn die Antwort ist etwas komplexer und betrifft mehrere Aspekte Eurer persönlichen Einstellung und der Perspektiven, aus denen Ihr Euch mit der mentalen Belastung auseinandersetzt. Wenn Euch meine Antwort trotzdem interessiert, nehmt Euch mal ein paar Minuten und versucht mal, Euch mit den Fragen, die im folgenden Post aufgeworfen werden, auf ganz persönlicher Ebene auseinanderzusetzen.


Das Jurastudium und vor allem die Examensvorbereitung stellen eine enorme Herausforderung dar. Auf inhaltlicher und fachlicher Ebene bieten Repetitorien hierfür gut ausgearbeitete Konzepte. Hinzu kommen zahlreiche Angebote in Form von Lehrbüchern, Skripten und Zeitschriften, aber auch über YouTube-Videos, Podcasts und Instafeeds. Neben dem Lernen des Stoffs auf der rein fachlichen Ebene gibt es aber noch zwei andere wichtige Herausforderungen: Die Fähigkeit, effizient zu lernen und den Lernalltag zu organisieren und Eure ganz persönliche – mentale ! – Leistungsstärke. Meine Beobachtung ist, dass bei der Lernorganisation häufig ungünstige Prioritäten gesetzt werden und die mentale Vorbereitung völlig vernachlässigt wird.


Wie man am besten lernt, den Lernalltag strukturiert und Lernmittel und -methoden effizient und zielgerichtet anwendet, wird hier in verschiedenen Einzelposts immer mal wieder Thema sein. Heute möchte ich mich aber Eurer mentalen Einstellung und ihrer Stärkung widmen. Für Euer Gehirn ist das Repetitorium ein Marathon. Ihr werdet über Monate hinweg seine Leistungsfähigkeit Woche für Woche trainieren und bestenfalls am Ende an einem absoluten Peak Eurer juristischen Fähigkeiten stehen. Durch die langfristige Befassung mit dem juristischen Stoff wird ein Großteil des Gelernten in Eurem Langzeitgedächtnis fest verankert sein, so dass Ihr hier auch schon den Grundstein für das Zweite Examen legt. Bei der Masse und der langen Vorbereitungszeit kann man nämlich kaum mit dem Kurzzeitgedächtnis arbeiten.


Hier zeigt sich also schon ganz klar: Das ist ein mentaler Kraftakt. Ihr braucht Selbstvertrauen und Mut für diesen Prozess. Und es gibt ein paar Faktoren, die Euch auf diesem Weg Kraft nehmen und schwächen. Das sind vor allem Angst, Unsicherheit und körperlicher sowie mentaler Stress.


Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Um stark durch das Repetitorium und in das Examen gehen zu können, solltet Ihr zwei etwas gegenläufige mentale Einstellungen miteinander vereinbaren: Ich fordere Euch heraus, es zu schaffen, stark und selbstbewusst zu sein und das Lernen individuell zu gestalten und gleichzeitig schonungslos ehrlich und kritisch mit Eurem Leistungsfortschritt zu sein. Das ist ein Spagat, der nicht leicht ist und den man dann gut hinbekommt, wenn man sich die wichtigsten Faktoren, die Euch stark bzw. schwach machen, vor Augen führt und ganz bewusst angeht.


Also nochmal, weil es so wichtig ist: Ein optimales Mindset vereinbart den Mut, die Lernphasen individuell zu gestalten (statt es so zu machen wie alle immer schon…), Vertrauen in den Prozess und die eigene Leistungsfähigkeit zu haben (am stärksten wollt ihr IM Examen sein, nicht davor) und ehrlich und kritisch zu sich selbst zu sein (jeder Fehler bringt Euch weiter).


Seht Ihr den Widerspruch? Ich soll mich trauen, alles mal anders zu machen als „die anderen“ und in meine Leistung vertrauen, meine Leistungen gleichzeitig aber ständig selbst hinterfragen und kritisch beleuchten?

Da ist doch Stress vorprogrammiert, oder nicht?


Das kann stressen, das stimmt. Und das wäre absolut kontraproduktiv. Deshalb ist auch hier das richtige Maß an Individualisierung für jeden und jede anders bemessen. Ich formuliere den obigen Ansatz nochmal aus einer anderen Perspektive: Tut das, was Euren Stress und Eure Angst lindert, ohne dabei kopflos und unrealisitisch zu werden.


Was heißt hier „Individualisierung“ konkret?

Traut Euch zum Beispiel, Lernzeiten so zu legen, dass Ihr Pausen macht, wenn Ihr mentale Tiefs habt und über die Gewichtung bei der Wiederholung von Stoff selbst zu entscheiden. Schreibt mehr oder weniger Klausuren aus, als „man so sagt“, wenn Ihr merkt, dass Ihr beim Formulieren besonders stark oder schwach seid und nutzt dementsprechend auch die Methode des Skizzierens maßvoll. Wagt es (und übt Euch darin), Menschen anzusprechen und mit Euren Fragen zu löchern, die signifikant mehr Erfahrung haben (also nicht unbedingt Eure Kommiliton:innen). Bucht diesen Urlaub, wenn ihr ihn braucht und seid stark genug, bei Horrorgeschichten wegzuhören und noch besser aus der Situation herauszugehen. Die Liste ist noch lang, aber ich hoffe, Ihr habt verstanden, worauf ich hinaus will:


Werdet zuversichtlich und selbstbewusst! Aber… bleibt dabei kritisch – und jetzt kommt der entscheidende Punkt – ohne Euch klein zu machen.


Eine gesunde Fehlerkultur ist einer der wesentlichen Schlüssel zu einem erfolgreichen Examen.

Wenn Ihr einmal verinnerlicht habt, dass "Fehler" die Pflastersteine sind, die Euren Weg zum Examen ebnen, dass jede Korrekturanmerkung der Korrektor:innen eine Chance ist, diese Fehler (oder auch nur Ungenauigkeiten) im Examen zu vermeiden, dass die Examensvorbereitung ein Prozess ist, der erst am Ende bewertet wird, dann könnt Ihr es schaffen, eine starke und reflektierte Einstellung einzunehmen. Diese wird Euch so, so viel Effizienz und Kraft geben können.


Und die braucht ihr, um die größten schwächenden Faktoren in den Griff zu bekommen: Angst und Unsicherheit. Beide werden nämlich auf Eurem Weg ständig gefüttert – durch Gerüchte, Mythen, Horrorgeschichten, durch vermeintlich sehr selbstbewusste Kommiliton:innen, die Eure Leistung in Frage stellen oder die „weiter“/schneller/besser zu sein scheinen und Eure Selbstkritik zu streng werden lassen.


Immer wieder wird Eure Balance aus Selbstvertrauen und Selbstkritik aus dem Gleichgewicht kommen. Das ist normal und auch in Ordnung. Wichtig ist, dass Ihr sie wieder zurückholt und wieder Eure Mitte findet. Und wie? Auch da gibt es kein one fit for all, aber sicher helfen diese Reaktionen/Verhaltensweisen den meisten sehr:


  • Schafft einen physischen Ausgleich für Stress durch Sport oder andere Tätigkeiten, die Euch zwingen, den Kopfkreisel mal für eine gewisse Zeit auszuschalten.

  • Sorgt für Euren Körper: ausreichend Schlaf, regelmäßige Pausen, gesunde Ernährung.

  • Versucht, Entspannungsmethoden wie Yoga, Meditation, autogenes Training in Euren Alltag einzubauen. Es gibt schon ganz einfache Übungen, die Euch aus einem negativen Gedankenkreislauf rausholen.

  • Sprecht drüber: Miteinander – in einer Lerngruppe, die ein vertrauter Raum ist – und wenn die Sorgen bleiben oder das Problem nicht gelöst werden kann mit Expert:innen – ob Repetitor:innen, Professor:innen, Mentor:innen oder andere Personen, die das Examen schon hinter sich haben und einen Blick für Eure Sorgen haben.

  • Hinterfragt Legenden, Geschichten und Glaubenssätze: Kann der Erzählende das wissen? Woher? Ist es allgemeingültig? Führt Euch vor Augen, dass Horrorgeschichten in allen Lebensbereichen eher erzählt werden, als Stories von Leuten, wo alles „normal“ abgelaufen ist.

  • Führt eine „Fehlerliste“ (hierzu mache ich auf jeden Fall nochmal einen Post), aber sammelt auch Eure Stärken in einem Dokument.

  • Ganz wichtig: Wenn Eure Ängste oder Euer Stress ein Ausmaß haben, dass so erheblich ist, dass sie Euch über längere Zeit einschränken, sich körperlich auswirken oder Ihr nicht das Gefühl habt, Eure Sorgen mit solchen alltäglichen Tipps wie den hiergenannten in den Griff zu bekommen, holt Euch Hilfe! Es gibt an den meisten Universitäten Anlaufstellen für Studierende, die unter psychischen Belastungen leiden. Unter 0800 111 0 111 ist die Telefonseelsorge 24 Stunden täglich erreichbar.


Ihr seht schon, das ist alles sehr vielschichtig und ich werde auf einzelne Aspekte noch in einzelnen Posts eingehen. Schreibt mich gerne an, wenn Ihr hierzu Fragen habt.

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