top of page
  • finejura

„Bloße Wiederholung des SV“ – was meinen Korrektoren damit eigentlich genau?

Updated: Jul 16, 2023

Ein häufiger Kommentar am Rand von Juraklausuren, in denen eine gutachterliche Falllösung gefordert wird, ist „Sachverhaltswiederholung“. Nicht selten habt Ihr sicher auch den Eindruck gewonnen, dass dem ein gewisses Gewicht beigemessen wird. Warum das so ist, was konkret dahintersteckt und wie man wirklich Nutzen aus der Korrekturanmerkung zieht, fasse ich für Euch zusammen.

Erst einmal zur Frage, was damit eigentlich gemeint ist: Diese Anmerkung ist eine Kritik an der Ausführung des Gutachtenstils und betrifft in der Regel den Bereich der Subsumtion, also die dritte Stufe des gutachterlichen Aufbaus. Hier ist tatsächlich gefordert, dass Ihr den relevanten Teil des Sachverhalts wiedergebt, der zur Beantwortung der im Obersatz aufgeworfenen Frage gebraucht wird. Ist das nicht eine Sachverhaltswiedergabe? Nein und ja. Es ist schon so, dass Ihr in juristischen Klausuren im Studium „die Antworten im Sachverhalt findet“, also eigentlich ganze Sätze oder Teile eins zu eins in Eure Subsumtion übernehmen könnt. Aber – und das ist entscheidend – nur die relevanten(!) Teile. Und was ist relevant? Das habt ihr bestenfalls auf Stufe zwei in der Definition selbst niedergeschrieben.


Also, ganz wichtig: Die Leistung liegt nicht darin, grob copy/paste laufen zu lassen, sondern ganz präzise (nach Maßgabe der Definition) den Teil des Sachverhaltes zu indentifizieren, der die Frage im Obersatz beantwortet. Dabei geht es nicht um 1:1-Reproduktion dieser Teile, sondern man kann auch einen Abschnitt sinngemäß zusammenfassen („das Gespräch“, „das Geschehen in der Küche“ oder „der Schriftwechsel vom …“). Das ist das, was man „nah am Sachverhalt arbeiten“ nennt. Wenn Ihr hier schludert und einfach den ganzen Absatz aus dem Sachverhalt übernehmt – weil ihr vermutet, dass sich der relevante Teil darin versteckt – dann habt ihr eben diese Leistung nicht hinreichend erbracht, denn Ihr habt eben nicht den relevanten Teil präzise identifiziert.


Es ist ein bisschen so, als würde man einen Verkäufer auf dem Markt nach einer gelben Pflaume fragen und dieser – wissend, dass irgendwo eine gelbe Pflaume im Korb ist – schüttet dem Kunden den ganzen Korb vor die Füße. Dieses Bild ist etwas stumpf, aber soll Euch verdeutlichen, warum zwischen einer sauberen Subsumtion und einer bloßen Sachverhaltswiedergabe erhebliche Wertungsunterschiede liegen.


Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Subsumtion erschöpft sich eben nicht in der Wiedergabe dieser relevanten Teile des Sachverhalts. Dazu ist noch eine Begründung für das (Zwischen-)Ergebnis zu der im Obersatz aufgeworfenen Frage gefordert. Und hier spielt die Musik. Warum ist dem relevanten Sachverhaltsteil z. B. ein bestimmter Erklärungswert zu entnehmen? Warum kann etwa Winken im Trierer Weinversteigerungsfall als Willenserklärung aufgefasst werden? Nicht selten fehlt genau dieser wichtige Schritt in den Fällen in denen bildlich ein Korb mit Pflaumen ausgekippt wurde. Stellt Euch vor, der Verkäufer würde also – statt wenigstens die gelbe Pflaume selbst aufzuheben, anzubieten, einen Preis zu nennen – sich einfach umdrehen und weggehen. Das ist der Grund, warum zwischen dieser Sachverhaltswiedergabe und „nah am Sachverhalt arbeiten“, ein großer Wertungsunterschied liegen kann.


Ich hoffe, Ihr versteht die Dringlichkeit, hier sauber zu arbeiten. Viele von Euch können das sicher, aber falls Ihr Euch ein bisschen ertappt fühlt, ist das super: Denn dann habt Ihr die Chance, gezielt daran zu arbeiten.


Was kann hier helfen? Praktische Übungen auf einem recht einfachen Level, die man immer komplexer werden lässt. Mit einem Fall zum Brötchenkauf kommt jeder noch klar, aber wenn es im Examen um komplexere Themen geht, muss das sehr präzise sitzen. Dabei ist es nicht selten so, dass Übungen zum Gutachtenstil ein bisschen als Erstsemesterkram abgestempelt werden und man irgendwie der Meinung ist, wenn man BGB AT und Strafrecht AT bestanden hat, dann „kann man das“. Hier schlummert ein weiteres Problem: Prüft selbstkritisch, ob Ihr das wirklich von Euch behaupten könnt und übt Euch in Selbstreflexion. Wenn in Euren Klausuren die o.g. Anmerkung steht, dann nehmt Euch die Zeit, da noch einmal ranzugehen.


Schreibt mir eine E-Mail an info@finejura.de mit dem Betreff "Sachverhaltswiedergabe" oder über das Kontaktformular, wenn Ihr einen Übungsfall und meine Lösungsskizze hierzu kostenlos erhalten möchtet, um daran zu arbeiten. Ich kann Euch da individuell begleiten, wenn Euch das schwer fällt.


Schließlich gibt es noch andere Klassiker, die ein Zeichen für Schwächen im Gutachtenstil sein können. „Das ist der Fall!“ ist zum Beispiel ein Satz, über den wir uns dringend unterhalten sollten. Ich erkläre Euch im Coaching (und demnächst auch hier im Blog), warum er eigentlich schon denklogisch in einem Gutachten keinen Platz haben dürfte und warum er für Euch selbst ein Marker sein sollte, Eure Lösung an der Stelle zu überdenken, wo Ihr ihn einsetzt.


61 views0 comments

コメント


bottom of page